Mit dem Siegeszug des Christentums war der Kosmos der antiken Mythologie nicht obsolet geworden. Er lebte fort in den Bildungstraditionen. Um das unterirdische Totenreich entstand dabei ein besonderer Diskurs. Das mythische Szenario hatte mit seinen archaischen Jenseitsvorstellungen schon in der Antike eine ubertragene philosophisch-psychologische Deutung provoziert, die sich insbesondere an Vergils Aeneis anschliessen konnte. Vermittelt durch die spatantike Dichterkommentierung, diente die allegorische Hermeneutik manchen karolingischen Literaten vor allem zur Rechtfertigung der Mythenlekture. Spatere Exegeten entwickelten sie schliesslich zu einer genuin mittelalterlichen Lesart fort, die den Elementen des Unterweltszenarios ihre jeweils eigene Bedeutsamkeit zuwies. Weit uber eine blosse Analogie zur Hoelle hinaus wurde so das mythologische "Infernum" als universeller literarischer Verhandlungsort fur die Bedingungen menschlichen Daseins etabliert - eine Entwicklung, die diese Untersuchung anhand von Zeugnissen aus Dichtung und paratextueller UEberlieferung bis hin zu ihrem Abschluss in Dantes Commedia nachvollzieht.