Biologische Strukturen und biologische Funktionen sind nur fUr unsere schematisierende Analyse verschiedene Aspekte der lebenden Objekte. Der beschreibende Biologe empfindet ihre scheinbare Gegensatzlichkeit auch kaum. Derjenige aber, welcher sich bemuht, die physikalischen und chemischen Grund- vorgange in seine Analyse des Lebendigen einzubeziehen, wird dabei immer die molekularen Feinheiten der biologischen Strukturen mit den sich an ihnen voll- ziehenden chemischen Wandlungen und physikalischen Vorgangen verbinden mussen. Insbesondere dem Biochemiker wird es bei der gedanklichen Ver- arbeitung seiner zahlreichen Einzelbefunde zunehmend bewuJ3t, daJ3 die Ver- folgung des Weges von der chemischen Reaktion zum Verstandnis ihrer biologi- schen Funktion cine Integration bedeutet, welche nur mit den Hilfsmitteln der physikalischen Chemic verstanden werden kann. Ihre DurchfUhrung gedanklich vOfzubereiten, fUr sic die wissensmaJ3igen Voraussetzungen zu schaffen und ihre Gestaltung an einigen Hauptproblemen zu umreiJ3en, wird hier als Aufgabe einer "Theoretischen Biochemic" angesehen. In ihr erfahren die aus der physikalischen Chemie - von NERNST (1893) "Theoretische Chemic" genannt - kommenden und zuerst von HOBER (1902) fUr den Gebrauch durch den Physiologen ge- sichteten Gedankengange cine synthetisierende Vereinigung mit dem Wissensgut der deskriptiven und dynamischen Biochemie. Die vorliegende Darstellung nimmt auf die besondere Situation der Mediziner und Biologen Rucksicht. Sie setzt die Grundzuge der modernen Biochemie voraus; aber sie fUhrt in diejenigen Gebiete der physikalischen Chemie ein, die fUr den angesprochenen Kreis bedeutungsvoll sind.