Es ist eine der schlimmsten Seiten un serer gegenwartigen Entwickelungsperlode in der Medi dn, dass die historische Kenntniss der Dinge mit jeder Generation VOD Studirenden abnimmt. Sogal' von den selbstthatigen jiingeren Arbeitern Imnn man in der Regel annehmen. dass ihr Wissen im hochsten Falle nur bis auf 3-5 Jahre riickwiirts leicht. Was vor [) Jahren publicirt ist, existirt nicht mehr. Virchow 1&7U. Je weiter von Jahr zu Jahr die Grenzsteine der medicinischen Naturwissenschaften aus einander geriickt werden, urn so berechtigter wird die Frage: ist es dem praktischen Arzte moglich den Fort schritten der Wissenschaft zu folgen? Hat der junge Doctor von der Universitat Abschied genommen und ist mit dem felsenfesten Vorsatze der Wissenschaft ewig treu zu bleiben in die beginnenden Hungerjahre der Praxis eingetreten, so wahrt es nicht lange und er steht fast unbemerkt vor einem Scheidewege, wo unwiderruflich ein Entschluss gefasst werden muss. Hier giebt der Charakter, nicht das Talent den Ausschlag, welcher Weg eingeschlagen wirdj die Wahl ist furchtbar ernst, denn sie entscheidet meistens fiir das ganze Leben. Entweder sagt er der Wissenschaft Lebewohl und steuert direct ins Lager der medicinischen Handwerker, wobei unterwegs nicht selten in dunkler Stunde ein krummer Schleicbweg benutzt und eine siisse Frucht vom Baume der Reclame gepfiuckt wird, oder er arbeitet fort, urn sich den Namen eines wissenschaftlichen Praktikers zu verdienen. Allein vor der Hand konnte man nach dem anstrengenden Examens jahre sich doch wenigstens eine Zeit lang Ruhe gonnenj die Uni versitatskenntnisse .werden ja fiir die ersten Jahre wohl ausreichen.