Gymnasiale Bildung zwischen Kompetenzorientierung und Kulturarbeit – der Titel deutet an, dass eine Verortung des Bildungsauftrags des Gymnasiums angesichts aktueller gesellschaftlicher wie globaler Herausforderungen ansteht. Die Diskussion bewegt sich derzeit zwischen stoffbasierten Lehrplänen und kompetenzorientierten B- dungsstandards, zwischen individueller Förderung und Vergleichbarkeit sowie zwischen dem Erwerb fachlicher Basics für Studium und Beruf und der Pers- lichkeitsentwicklung von Heranwachsenden. Ein Blick zurück zu den Anfängen gymnasialer Bildung soll der Klärung der Frage nach den Gegenwarts- und - kunftsaufgaben des Gymnasiums dienen. Die Formen des höheren Schulwesens, die seit Wilhelm von Humboldt als Gymnasium im heutigen Sinne bezeichnet werden, haben eine wechselvolle - schichte erfahren. Seit Einführung des ersten Abiturientenexamens 1788 – und 1834 als Abitur dann für alle Studierwilligen verpflichtend – unterliegt das Gym- sium einem ständigen zeitgeschichtlichen Wandel als Reaktion auf neue gese- schaftliche Bedürfnisse. So spielt das Gymnasium Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts in der Überwindung des feudalen Absolutismus eine maßgebliche Rolle. Im Sinne der Aufklärung sollte höhere Bildung als Zugang zu gesellschaft- chen Schlüsselpositionen kein Standesprivileg mehr sein, das mit der Geburt - worben wird, sondern jedem Staatsbürger offenstehen. War dieses Recht zunächst der männlichen Bevölkerung vorbehalten, wurde es zu Beginn des 20. Jahrhunderts auch dem weiblichen Geschlecht zugestanden. Seit 1908 konnten junge Frauen in Preußen durch den Besuch des Lyzeums, wie die höhere Mädchenschule damals hieß, ein Hochschulstudium aufnehmen. Faktisch blieb das Grundrecht auf höhere Bildung, ob für Männeroder Frauen, allerdings lange Zeit der gesellschaftlichen Oberschicht vorbehalten.