Der Legendenstoff der heiligen Genoveva wurde in der germanistischen und komparatistischen Forschung der letzten Jahrzehnte kaum untersucht. Angesichts dieser Forschungslage erscheint eine umfassende thematologische Untersuchung, wie sie hier vorgelegt wird, ausserst wunschenswert, zumal neuere literaturtheoretische Ansatze und literaturwissenschaftliche Methoden (Intertextualitat, Gender-Forschung, Mentalitatsgeschichte) einen innovativen Zugang ermoglichen. In einem minutiosen Vergleich zahlreicher Bearbeitungen des Legendenstoffs (von fruhneuzeitlichen Volksbuch-Fassungen uber barocke Jesuitendramen und das Puppenspiel bis hin zu den grossen Tragodien Mullers, Tiecks, Hebbels und Ludwigs) werden die spezifischen Akzentuierungen und zeittypischen Problemstellungen je nach literarischer Epoche herausgearbeitet und die historisch bedingten Veranderungen aufgezeigt. Dabei werden die jeweiligen literaturgeschichtlichen, asthetischen und philosophischen Kontexte berucksichtigt. Neben der ausfuhrlich philologischen Analyse gerat dabei ein grundlegender Wandlungsprozess in den Blick; die zunehmende Sakularisierung und Psychologisierung des Stoffs, die Herauslosung aus christlich-dogmatischen Setzungen, die zunachst zu einer wachsenden Autonomie des Protagonisten, schliesslich (bei O. Ludwig) zu einer -Ent-Heiligung- der heiligen Genoveva fuhrt. Das Buch bietet eine problemorientierte Gesamtschau."