Die Studie untersucht den bisher in der Philologie nicht eingehend betrachteten Editionstypus "Fruhe Nachlassedition", also solche Ausgaben, die relativ kurz nach dem Tod des Autors von der Familie oder Freunden veranstaltet worden sind und zumeist bis dahin nicht publizierte Texte des Autors aus seinem Nachlass bieten. Zu klaren ist, ob solche Texte mit heute nicht mehr evidenter Textgestalt uberhaupt echt (authentisch) sind, also auf Material beruhen, das heute verloren ist, oder ob der Herausgeber die nach bekanntem Material erstellten Texte manipulierte. In letzterem Fall waren solche postum verfalschten Texte - abgesehen von ihrer oft nicht unerheblichen Wirkungsgeschichte - textkritisch ohne, in ersterem Fall von enormem Belang. Die Studie untersucht diese Problematik am Beispiel der Ausgabe Letzte Gaben von Annette von Droste-Hulshoff (1860) exemplarisch und zeigt zugleich, wie das modellhaft angelegte Verfahren auf ahnlich gelagerte Falle ubertragen werden kann. Von den dargestellten Beispielsfallen abstrahierend werden schliesslich der Typus "Fruhe Nachlassedition" und die Motive ihres Editors charakterisiert und die entwickelte Methodik als grundsatzlicher Teil der Vorgehensweise bei der Erstellung einer historisch-kritischen Ausgabe verdeutlicht.