Der Kommentar konzentriert sich auf die Denkaufgabe, die theologische Konzeption des vierten Evangeliums zu verstehen. Dieses erweist sich als im wesentlichen einheitliches, vom Verfasser mit literarischer Kunst gestaltetes Werk, das nach seinem Tod von seinen Schulern mit dem Zusatz von Kapitel 21 herausgegeben worden ist. Die Verwurzelung in der Tradition christlicher Auslegung des Alten Testaments als Christuszeugnis und zugleich eine Vertrautheit mit der judischen Tradition von Schriftlektionen in den Liturgien der groaen Jahresfeste bilden einen wesentlichen Horizont der Auslegung. Darin zeigt sich eine groae Nahe zum Judentum, zugleich aber auch eine Spannung, in der sich akute christlich-judische Auseinandersetzungen der Zeit nach 70 spiegeln.Die Theologie des Johannesevangeliums mit ihrer radikalen Konzentration auf die Christologie der Einheit zwischen Vater und Sohn lasst sich insgesamt als Antwort auf den judischen Vorwurf der Verletzung der Einzigkeit Gottes verstehen. Dieser Blasphemievorwurf wird vollauf ernst genommen. Der Evangelist will die Christen seiner Gegenwart lehren, wie das Verhaltnis Jesu zu Gott und Gottes zu Jesus so zu denken ist, dass weder der Vater im Sohn noch der Sohn im Vater aufgeht, sondern Vater und Sohn eines sind als der Sendende im Gesandten und der Gesandte im Sendenden.