Mit seiner spekulativen Weiterfuhrung des thomasischen Denkens versucht Siewerth, auf die Vorwurfe Heideggers gegen die klassische Metaphysik eine Antwort zu geben. Anknupfungspunkt dabei ist das Seinsdenken, in dem Siewerth das wahre Genie des Aquinaten aufleuchten sieht. Siewerth interpretiert den Thomismus vor allem vor dem Hintergrund der Identitatstheorie. Grundsatzlich verteidigt Siewerth Heideggers 'Seinsvergessenheitsthese', nur verschiebt er die Zasur von Thomas auf Duns Scotus, dessen Metaphysik er als essentialistisch verwirft. Das Drama der Seinsvergessenheit wurde in der Terminologie Siewerths Gnosis genannt, die er als das Schicksal und die Auswirkung der essentialistischen Philosophie ansah. Ihren Gipfel erreichte die Gnosis im Hegelschen Denken, das die Prinzipien der reformatorischen Theologie mit der Dialektik verbindet. Der Autor stellt diese Problematik anhand der Quellentexte von Thomas, Scotus, Siewerth und Heidegger dar."