Gibt es ein postfaktisches Erzählen? In öffentlichen Diskursen ist derzeit häufig kritisch von einem ‚postfaktischen Zeitalter‘ die Rede. Zugleich wächst die Sehnsucht nach neuen, ebenso glaubhaften wie visionären Narrativen, die wesentliche Grundlagen unseres sozialen, kulturellen und politischen Miteinanders in einer als krisenhaft empfundenen Umbruchsituation neu erzählen und die sich, so die Hoffnung, gegen die Lügengeschichten der Populisten durchsetzen können. Vor diesem Hintergrund ist in jüngster Zeit eine Debatte um die Bedeutung, die Funktion und den Nutzen des Konzepts des ‚postfaktischen Erzählens‘ entstanden. Unter Rückgriff auf Theorien, Erkenntnisse und Methoden der Erzählforschung wird in den Beiträgen dieses interdisziplinären Bandes das Verhältnis des ‚Post-Faktischen‘ zum Narrativen untersucht und zugleich eine Bestimmung der Kernbegriffe der Debatte wie ‚post-faktisch‘ und ‚post-truth‘, ‚Wirklichkeit‘ und ‚Wahrheit‘, ‚Ereignisse‘ und ‚Geschehen‘ sowie ‚Erzählungen‘, ‚Geschichten‘ und ‚Narrative‘ angestrebt.