Die Vorstellung von sozialer Gerechtigkeit hat sich als normative Grundlage in Gesellschaften westlicher Moderne verbreitet. Damit einher geht die Erwartung, dass der Staat sozialen Ungleichheiten – somit auch Geschlechterungleichheiten – politisch entgegengewirkt. Gleichzeitig ist das politisch-normative Leitbild von Gerechtigkeit in den kapitalistischen Gesellschaften durch die Vorstellung von Leistungsgerechtigkeit geprägt. Was als Leistung anerkannt wird und wem Leistung zugesprochen wird, ist damit eine wichtige Stellschraube, um gerechte Verhältnisse zwischen den Geschlechtern herzustellen. Solange jedoch Care und Erwerbsarbeit, Berufe und Tätigkeiten ungleich bewertet und eng mit einem binären Geschlechterverständnis verbunden werden, also mit bestimmten Weiblichkeits- oder Männlichkeitskonzepten, bleibt Geschlechtergerechtigkeit nicht nur schwer zu bemessen, sondern auch herzustellen. Theoretisch und politisch wird kontrovers diskutiert, was genau Geschlechtergerechtigkeit bedeutet und wie sie zu erreichen ist.
In dem vorliegenden Band diskutieren Expert*innen verschiedene Facetten von Geschlechtergerechtigkeit: Geschlechter- und Machtverhältnisse in der Wissenschaft und feministischer Wissensproduktion, kapitalismuskritische Perspektiven auf Sorgearrangements und Care-Arbeit, ebenso wie über die Potentiale und Risiken gleichstellungspolitischer Maßnahmen.