Die jüngere Geschichte der Habsburgermonarchie wird seit jeher unter der Frage nach den so genannten versäumten innenpolitischen Gelegenheiten diskutiert. Wäre der Untergang dieses Reiches durch eine andere Innenpolitik der Machthaber, welche den politischen und nationalen Interessen der einzelnen Ethnien stärker Rechnung getragen hätte, zu vermeiden gewesen oder nicht? Als entscheidenden Wendepunkt auf dem Weg zum schließlichen Untergang der Doppelmonarchie erachten Historiker insbesondere den innenpolitisch in weiten Teilen repressiven Neoabsolutismus. Diese Epoche folgte auf den revolutionären Völkerfrühling von 1848/49, dauerte bis ungefähr 1859/60 und soll vor allem das bis dahin noch vergleichweise moderate nationale Denken zugespitzt und damit die Abneigung zwischen den verschiedenen Ethnien gefährlich verschärft haben. Ungeachtet dessen ist der Neoabsolutismus bisher nur wenig erforscht. Die vorliegende Studie schließt in dieser Hinsicht eine wichtige Lücke. Sie analysiert die Planung, Durchführung und Folgen der so genannten Nationalanleihe von 1854, die alle damaligen Größenordnungen sprengte und viele private und öffentliche Lebensbereiche massiv tangierte. Unter Berücksichtigung finanz-, wirtschafts-, sozial-, nationalitäten- und vor allem innenpolitischer Aspekte werden das neoabsolutistische Herrschaftssystem und die zeitgenössische Herrschaftspraxis untersucht. Nicht zuletzt das Scheitern dieses schon von Zeitgenossen als finanzpolitisches Hasardspiel beurteilten Großunternehmens hat dazu beigetragen, dass der noch junge Kaiser Franz Joseph seinen Wahlspruch viribus unitis (Mit vereinten Kräften) damals nicht verwirklichen konnte, den Neoabsolutismus im Sinne einer reinen Monarchie dauerhaft zu stabilisieren.