Guido Adlers Aufsatz „Umfang, Methode und Ziel der Musikwissenschaft“ von 1885 ist das wohl einflussreichste Gründungsdokument der Universitätsdisziplin Musikwissenschaft. Aber auch vor und v.a. nach Adler haben Fachvertreterinnen und -vertreter immer neu darüber nachgedacht, was Musikwissenschaft sein kann und soll, in welchem Verhältnis sie zur musikalischen Produktion steht und wie sie sich zu gesellschaftlichen und politischen Anforderungen verhalten soll. So haben sie Wandlungen der Musikwissenschaft entweder selbst bewirkt oder reflektierend begleitet.
Dieser Band enthält über 50 solcher grundlegenden Konzeptionen der Musikwissenschaft und ihrer Teilgebiete von deutschsprachigen Autorinnen und Autoren seit 1777. Eine Edition (von Auszügen) des Textes wird dabei jeweils begleitet durch einen Kommentar, der den Text vor dem Hintergrund der Fach- und Zeitgeschichte erschließt. Auf diese Weise wird das Nachdenken der Musikwissenschaft über sich selbst nachvollziehbar. Erkennbar werden aber auch die verschiedenen Motivationen für inhaltliche oder methodische Veränderungen und die Auseinandersetzung mit den Fragen und Herausforderungen der jeweiligen Gegenwart.
Die Auswahl der Texte erfolgte in Verbindung mit ausgewiesenen Fachleuten aus der Musikwissenschaft: Barbara Boisits (österreichische Musikwissenschaft), Veronika Busch (systematische Musikwissenschaft), Wolfgang Fuhrmann (Musiksoziologie), Ulrich Konrad (deutsche Musikwissenschaft des 19. Jahrhunderts), Julio Mendívil (Musikethnologie), Pamela Potter (nationalsozialistische Musikwissenschaft), Matthias Tischer (Musikwissenschaft in der DDR) sowie Melanie Unseld (musikwissenschaftliche Gender Studies).