Seit der Durchsetzung der Lyrik als gleichgewichtiger Gattung neben Epik und Dramatik gibt es die Vorstellung, Lyrik sei unmittelbarer Ausdruck von Gefuhlen. In Asthetiken wird ihr als Vermittlung von Objekt und Subjekt eine Mitte-Position zugeschrieben. Die Signifikantenlogik dieses Mitte-Denkens hat die Evolution der Lyrik selbst uberlebt und blockiert oft ein angemessenes Verstehen von Gedichten, die dem Prototyp -Des Lyrischen- - Goethes -Uber allen Gipfeln- - nicht entsprechen. Insbesondere in Skandinavien ist zu beobachten, dass ein dort bis heute gebrauchlicher Begriff -Zentrallyrik- jeglichen Begrundungszusammenhang hinter sich gelassen hat. Kraft seiner scheinbaren Evidenz entwickelt er eine innovationsfeindliche normative Eigendynamik. Die systematische Analyse der Lyrik-Asthetik und ihre Konfrontation mit Gedichten vom Barock bis heute in den Beitragen zu diesem Band historisieren und problematisieren eine langst fragwurdig gewordene Doxa des Diskurses uber Lyrik."