Die Aussetzung neugeborener Kinder, fÃ"r moderne Moral fraglos unmenschlich und grausam, kam in den antiken Gesellschaften rund ums Mittelmeer vor. Daraus kann allerdings nicht der Schluss gezogen werden, Kindesaussetzung sei in der Zeit der Antike ein ganz alltägliches Phänomen gewesen. Zum einen lässt sich Ã"ber deren Häufigkeit aus der Distanz von mehr als zweitausend Jahren nichts Sicheres sagen. Zum anderen gab es eine namhafte Zahl an Texten antiker Schriftsteller, in denen Kritik an der Kindesaussetzung geÃ"bt wird. Die entsprechenden Quellen sind in der vorliegenden Studie erstmals gesammelt und vergleichend analysiert. Sie zeigen ein klares Bild: Antike Menschen empfanden eine Kindesaussetzung als der Natur widersprechend und als gottlos. Eltern, die derartiges erwogen, wurden als gefÃ"hllose, rohe Menschen bezeichnet. Im Bereich des Religiösen gab es MaÃnahmen wie der Ausschluss vom Heiligtum fÃ"r eine bestimmte Zeit oder das Bezahlen einer Geldstrafe. Und wenn es auch bis ins 4. Jahrhundert der christlichen Zeitrechnung kein explizit gesetzliches Verbot der Kindesaussetzung gab, so waren etwa die frÃ"hen Christen sicher, dass ein solches Tun dereinst am Ende der Tage bestraft wÃ"rde. Die antike Kritik an der Kindesaussetzung ist Zeugnis fÃ"r eine breite Ablehnung derselben in den antiken Gemeinschaften verschiedener Zeiten und Orte. Sie zeigt aber auch, dass Kindesaussetzung keine Praxis sog. primitiver Völker war, sondern dass dahinter meist konkrete Nöte wie Armut oder uneheliche Geburt standen.