Die Studie analysiert unter historischer und systematischer Perspektive verschiedene Darstellungsweisen geschichtlichen Geschehens. Historische Erzählprosa schweizerischer Autoren des 19. Jahrhunderts (J. Gotthelf, G. Keller, C.F. Meyer) wird sowohl in ihrem Verhältnis zur historistischen Geschichtsschreibung untersucht als auch in den Kontext einer durch vaterländisches Schauspiel und Formen symbolischer Geschichtsrepräsentation verbreiteten nationalen "Mythologie" gestellt. In den Blick geraten dabei nicht nur jene zeitgenössischen ästhetischen, wissenschaftlichen und nationalpädagogischen Diskursformationen, welche den Umgang mit Geschichte theoretisch und methodisch fundieren, sondern auch eine Reihe historiographischer Schriften und patriotischer Schauspiele, die mit den im Zentrum der Analyse stehenden poetischen Erzählwerken thematisch verknüpft sind. Das Problem des Verhältnisses von wissenschaftlicher und dichterischer Darstellung vergangenen Geschehens kann so einer differenzierteren Reflexion unterzogen werden; außerdem wird deutlich, welche Bedeutung den kulturpolitischen Bestrebungen der liberalen Eliten für die "Nationalisierung" künstlerischer Manifestationen zukommt. Ziel der Studie ist es, Erzähldichtung, Historiographie und "vaterländische" Dramatik schweizerischer Autoren des 19. Jahrhunderts als komplementären Zusammenhang zu rekonstruieren und danach zu fragen, inwiefern fiktionale Literatur in Analogie und Differenz zu anderen Formen textueller Geschichtsdarstellung an der Konstitution nationaler Identität partizipiert und zugleich dazu beiträgt, patriotische "Mythologie" in Frage zu stellen.