Glorifizierung von Kindheit und die gesellschaftliche Ordnung In minutiöser und subtiler Arbeit an den Texten sucht das vorliegende Buch nach Wurzeln, diskursiven Elementen und Konstruktionen einer "Glorifizie rung der Kindheit". Damit ist eine idealisierende Überhöhung der Kindheit gemeint und eine Vorstellung, in der das Kind auf eine andere, bessere Welt verweist, ein Paradies, dem es (noch) angehört und angehören soll. Es ist eine Vergöttlichung der Kindheit, die von konkreten Kindern und Kindheiten abstrahiert und die sich gerade deshalb seit Jahrhunderten in verschiedenen Kindheitsentwürfen findet. Sie dominiert auch - wie die Leserinnen und Leser durch die Lektüre dieses Buches sensitiviert registrieren werden - die aktuelle Darstellung von Kindern in Politik, Pädagogik, Ratgebern, Medien, Kunst usw. Peter Tremp beschäftigt sich zunächst mit der idealisierenden Überhö hung von Kindheit, wie sie sich in christlich-mittelalterlichen Texten findet, und er zeigt die darin enthaltene gedankliche Separierung von Kindheit in eine andere Welt. Bei Jean-Jacques Rousseau findet er dann die folgenreiche Ausarbeitung dieser Überhöhung: ihre Verbindung mit der Natur. Die Natur gilt seit dem 18. Jahrhundert als privilegierte Domäne des Erkennens und sogar als einzige Quelle validen Wissens. Gleichzeitig ist aber schon die Sprache über Natur in höchstem Maße metaphorisch und normativ, man denke etwa nur an die bei Kindern stets und für alle Vorgänge beanspruchte Vorstellung des "Wachstums" oder der "Entwicklung" (Jordanova 1989).