Machten sich die Autoren der großen Encyclopédie (1751–1772) von Diderot und d’Alembert im 18. Jahrhundert daran, das gesamte Wissen der Zeit zu sammeln, zu ordnen und kritisch zu reflektieren, so musste auch die gesamte Welt hineinpassen – und ihre Menschen. Doch wie sind diese zu beschreiben und wer sind sie überhaupt: Freund oder Feind? Fakt oder Fiktion? Tier oder – auch – Mensch? Dieser ‚koloniale Andere‘ stellt im Schlüsselwerk der französischen Aufklärung eine veritable Herausforderung dar: für die Selbstverortung des europäischen philosophe, für die vernunftbasierten Kategorien des europäischen Wissens und insbesondere für die enzyklopädische Konstruktion und Narration.
Die vorliegende Studie verfolgt einen wissenspoetologischen Ansatz zur kontrapunktischen Analyse der narrativen Wissenskonstruktionen des kolonialen Anderen in der Encyclopédie. Daraus generieren sich neue Denkansätze für ein ‚wildes Wissen‘ als Inszenierung von Alteritätswissen in der Encyclopédie; für eine spezifische kulturphilosophische Ambivalenztheorie der Alterität und für eine literaturwissenschaftlich operationalisierbare kontrapunktische Lektüre.