In ihrem neuen Roman erzählt Antje Rávic Strubel von einer Flugzeugentführung und der schwierigen, vielleicht vergeblichen Suche nach der Wahrheit. Dabei hat sie sich von einer realen Geschichte inspirieren lassen: 1978 wurde eine Tupolew 134 von zwei Bürgern aus der DDR auf dem Flug Danzig-Schönefeld nach West- Berlin entführt. Die Entführung war nicht geplant, sie war eine Art Übersprunghandlung zweier bei ihrer Republikflucht verratener Menschen.
Antje Rávic Strubel erzählt eine eigene Geschichte über Flucht, Verrat und Illegalität, über die politischen Konsequenzen dieser Tat, über den Wunsch, das alte Leben hinter sich zu lassen, und vom Unvermögen, vorgeprägten Lebensmustern zu entkommen, über Sehnsucht und die Vergeblichkeit von Liebe außerhalb der Konvention.
Der Roman bedient sich dabei dreier Zeitebenen, der Vorgeschichte der Flucht, der folgenden Gerichtsverhandlung auf dem Flughafen Tempelhof und der Erinnerungsarbeit 25 Jahre danach, und findet dafür das Bild vom "Schacht". Der Text ahmt diesen Schacht nach, auf seinen verschiedenen Plateaus irrlichtert eine Erzählerin, die die Leser in immer schwindelerregendere Tiefen der Ungewißheit lockt. Beim Versuch, den damaligen Verrat aufzudecken, drängt sich ihr die Erkenntnis auf, daß keine Antwort ganz gesichert ist und das eigene Leben nie vollständig auslotbar, wie die dunkle Tiefe eines Schachts.
"Tupolew 134" ist eine deutsch-deutsche Geschichte, aber auch der Roman einer Sinnsuche in einer sehr genau beschriebenen menschlichen und geschichtlichen Topographie - spannend und meisterhaft dargestellt.