Derzeit wird die Frage nach der Rolle von Religionen im öffentlichen Raum häufig unter den Vorzeichen Gewalt, Fundamentalismus und Kulturkonflikt betrachtet. Eine andere Perspektive erhält hingegen sowohl in der öffentlichen Debatte als auch in sozialwissenschaftlichen Untersuchungen weitaus weniger Aufmerksamkeit: Wie steht es in Europa um das Verhältnis von Religionszugehörigen und Religionsgemeinschaften zu dem Teil des öffentlichen Raums, der als Zivilgesellschaft bezeichnet wird und der gerade in jüngster Zeit an Bedeutung gewonnen hat? In welchem Maße können und wollen sie über die rituelle Heilsvermittlung hinaus gesellschaftliche Partizipations-, Integrations-, Sozialisations- oder Interessenartikulationsfunktionen – und damit genuin zivilgesellschaftliche Aufgaben – übernehmen?
Die Ausgangsfrage des dem vorliegenden Band zugrundeliegenden Forschungsprojekts lautete daher zunächst: Wie steht es um die Zuordnung der Religionsgemeinschaften? Sind sie, möglicherweise sogar unabhängig von ihrem Rechtsstatus, der Zivilgesellschaft neuer Definition zuzuordnen? Autorinnen und Autoren unterschiedlicher Disziplinen haben sich diesem Fragenkomplex in mehreren europäischen Ländern genähert. Fallstudien über Griechenland, Italien, Schweden und Bosnien-Herzegowina werden zudem ergänzt durch komparative religionsrechtliche Betrachtungen.