Der Herr kommt - leise und doch gewaltig
Der Herr buckelt, der Herr hat Ideen, der Herr räsoniert und er dessouiert. Doch wer genau ist dieser Herr, den Franz Stowasser in seinem neuesten Werk zu Wort kommen lässt? An sich ist er ein Jedermann, ein beinahe schon durchschnittlicher Erdenbürger, der lediglich den einen oder anderen Gedanken mehr zu verschwenden bereit ist als die meisten seiner Mitmenschen.
"Herrliche Zeiten" ist eine Sammlung von Kurzgeschichten, oder korrekt ausgedrückt wohl eher von sehr kurzen Geschichten aus dem Leben des Herrn. Autor Franz Stowasser zeigt seinen Helden in den unterschiedlichsten Situationen, er lässt ihn so Banales erleben wie eine S-Bahn-Fahrt in Berlin, er schickt ihn beispielsweise aber auch zu einem Investorentreffen, das einen zynischen Einblick in die launische Welt des Kapitals erlaubt.
Der Herr fühlt sich selbst, so unterstellen wir einmal, jedoch nicht einem politischen Lager, einer sozialen Schicht oder einem bestimmten Sinus-Milieu zugehörig. Vielmehr ist er im Laufe seines Lebens zu einem aufmerksamen Beobachter geworden: Er führt uns pointiert Zusammenhänge vor Augen, mit einer Objektivität, die uns leider meist nicht gegeben ist; er zeigt mit dem Finger voll erfrischender Subjektivität ganz unverhohlen auf Dinge, von denen wir aus Bequemlichkeit den Blick vorzugsweise wieder abwenden.
Stowassers gekonnte Sprünge von subtiler Kritik über liebevolle Betrachtungen hin zu beissender Ironie setzen aufmerksame Leserinnen und Leser voraus. Sein Buch erfordert weder oberflächliches Konsumieren noch intensives Studieren, sondern die Bereitschaft, auch einmal quer zu denken und sich auf die unergründlichen Wege des Herrn einzulassen.
Mit seinem neuesten Werk hält uns Franz Stowasser keinen moralinsauren Spiegel vor. Vielmehr erlaubt er uns, die Welt mit den Augen des Herrn zu sehen, und beschert uns damit vergnügliche Lesestunden ebenso wie nachdenkliche Momente jenseits der ausgetrampelten Gutmensch-Pfade.