Unsere liberale Demokratie paßt nicht mehr zu unseren Lebensverhältnissen, sie ist ebenso überholt wie das Weltbild, das ihre Konstrukteure geleitet hatte. Davon ist der für seinen streitbaren Scharfsinn bekannte amerikanische Physiker Lee Smolin überzeugt. Die Gründerväter entwarfen eine Demokratie für reiche weiße Männer mit ähnlichem ethnischen und religiösen Hintergrund. Sie entwickelten ein Modell der Demokratie, in dem Bürger wie Atome waren, identisch und autonom. Ihr Weltbild begründete sich gleichermaßen in der christlichen Theologie wie in der Physik Newtons. Heute brauchen wir für pluralistische Gesellschaften ein pluralistisches und dynamisches Konzept von Demokratie. Dabei kann das relationale Weltbild der modernen Physik als Modell dienen. Danach ist die Welt nichts als ein Netzwerk von Beziehungen. Die zwei großen wissenschaftlichen Gedankengebäude des 20. Jahrhunderts - Darwinismus in der Biologie und Relationismus in der Physik - hängen eng zusammen. Beide gemeinsam werden die Grundlage sein für das Weltbild des 21. Jahrhunderts, in der Wissenschaft und in der Gesellschaft. Relationismus ist dabei freilich keinesfalls gleichzusetzen mit Relativismus. Es ist nicht gleichgültig, für welchen Weg wir uns entscheiden. Lee Smolin zeigt, wie die Erkenntnisse der Wissenschaft zu einer notwendigen und grundlegenden gesellschaftlichen Neuorientierung beitragen können.
"Das Ziel dieses Essays ist es, zu zeigen, daß die Wurzeln der westlichen Demokratien in ihren Beziehungen zur Wissenschaft zu finden sind, im besonderen zu den ethischen Prinzipien, nach denen allein sowohl die demokratische Gesellschaft als auch die wissenschaftliche Gemeinschaft funktionieren können."