Die Arbeit zielt auf eine systematische Beschreibung verschiedener Lesarten von würde + Infinitiv unter Berücksichtigung sowohl synchroner als auch diachroner Aspekte dieser Erscheinung.
Die zentrale Hypothese ist, dass dieser Periphrase eine grundlegende semantische Basisstruktur zugrunde liegt und dass sich das Spektrum ihrer Gebrauchsweisen als je spezifische Realisierung dieser Basisstruktur darstellen lässt. Die Bedeutungsschablone ist kompositionell aus zwei Komponenten aufgebaut: das sind die evidentielle werden-Komponente und die modale Konjunktiv II-Komponente. Die unterschiedliche kontextinduzierte Realisierung dieser beiden Bedeutungskomponenten führt zur Entstehung distinktiver Lesarten von würde + Infinitiv.
Auf der Grundlage der synchron erarbeiteten semantischen Basisstruktur wird die diachrone Entwicklung der Konstruktion als ein verzweigter Grammatikalisierungsprozess in seinen wichtigen Ablaufphasen beschrieben. Es wird nachgewiesen, dass das heutige Deutsch zwei distinktive Lesarten dieser Fügung mit unterschiedlichen Grammatikalisierungsgraden aufweist.
Die Ergebnisse werden durch die Auswertung von zwei diachronen Textkorpora (zum Gegenwartsdeutschen und zum Frühneuhochdeutschen) untermauert.