Stellen Sie sich vor: Ein Mensch kommt in den Krisendienst oder die psychiatrische Klinik und innerhalb von 24 Stunden wird sein komplettes "Netzwerk" - Angehörige, Freunde, Arbeitgeber, alle, die kommen wollen - zu einem Gespräch mit dem Behandlerteam eingeladen, um in einem "Offenen Dialog" gemeinsam herauszufinden, was zu verstehen und was zu tun ist.
In Deutschland sicher (noch) unvorstellbar - in Finnland gängige Praxis.
Dieses dort seit Jahren erprobte Vorgehen erhöht nicht nur die Behandlungserfolge, sondern vermindert die Zahl der Erkrankungen - unglaublich, aber wahr und belegt. Unter anderem in diesem Buch.
Seikkula und Arnkil beschreiben ausführlich die Konzepte des "Offenen Dialogs" sowie des "Antizipatorischen Dialogs", der dann mit Gewinn und Erfolg eingesetzt wird, wenn verschiedene Helferteams sich zusammen mit den betroffenen Familien aus Zuständigkeitsgerangel und Sackgassen befreien wollen.
Ein Buch mit vielen wegweisenden Ideen und einem bahnbrechenden Potenzial für alle Felder der psychosozialen Praxis.
Leseprobe:
Menschen leben in ihren sozialen Beziehungen - auch wenn Mitarbeiter professioneller Dienste sich mit ihnen als Einzelne beschäftigen. Wenn Mitarbeiter und Klient sich im Gespräch gegenüberstehen, ist das persönliche Netzwerk des Klienten als Zuhörer bereits anwesend und ebenso das professionelle Netzwerk im Hintergrund des Mitarbeiters.
Wenn wir einen Klienten nach den Menschen fragen, die ihm nahe stehen, dann werden diese in das Gespräch einbezogen, indem sie am inneren Dialog des Klienten beteiligt sind - und ihre Stimmen sind als Echo präsent, auch wenn wir uns nicht genauer nach ihnen erkundigen. Jede Frage und jeder Kommentar involviert Stimmen in einen solchen Dialog. Wenn wir Fragen stellen zu den wichtigen Menschen im Leben des Klienten oder Kommentare äußern, wird deutlich, dass es sich um Beziehungsarbeit handelt, auch wenn wir nicht netzwerkorientiert arbeiten. Wie wir mit dem Klienten sprechen, beeinflusst den inneren Dialog des Klienten und seine Dialoge mit Menschen, die ihm nahe stehen.
In diesem Buch stellen wir eine Art von Arbeit vor, bei der die persönlichen Netzwerke von Klienten und die professionellen Netzwerke der Helfer eingeladen werden, sich an gemeinsamen Gesprächen zu beteiligen - einmal in sogenannten Offenen Dialogen, ein Ansatz, der in der psychiatrischen Arbeit entwickelt wurde, und zweitens in sogenannten Antizipatorischen Dialogen (Möglichkeitskonstruktionen), einem Ansatz aus der Arbeit mit Familien und Kindern.