Ausgangspunkt der Studie ist die Einsicht, dass der Musikbegriff des rabbinischen Judentums mit gelaufigen musikwissenschaftlichen Kategorien nicht zu beschreiben ist. Diese interdisziplinare Arbeit geht den musikbezogenen Denkformen der rabbinischen Tradition anhand zweier exemplarischer Fallstudien auf den Grund und stutzt sich methodisch auf ethnologische, literatur- und sprachwissenschaftliche Ansatze. Alle Quellentexte werden in UEbersetzungen wiedergegeben.
Der erste Teil beschreibt den gesungenen Vortrag der Tora in der Synagoge als kulturelles Schlusselritual. Mit Hilfe historischer Quellen sowie anhand von Beispielen aus der eigenen Feldforschung zeigt die Autorin auf, welche Funktion dieser Gesangspraxis zukommt und wie diese als System mit einer eigenen Notationsweise funktioniert. In diesem Zusammenhang wird auch das komplexe Zusammenspiel von mundlicher und schriftlicher UEberlieferung naher beleuchtet.
Im zweiten Teil werden die Spuren des biblischen Meeresliedes (Exodus 15) in der fruhjudischen Literatur, in Talmud und Midrasch verfolgt. Aus einem weitgespannten Netz von Anspielungen auf dieses prototypische Lied (Shira) entwickelt sich ein differenziertes Bild der Bedeutungen, welche in der Vorstellungswelt des rabbinischen Judentums der Musik und dem Gesang zugeschrieben werden.