"Gut zum Druck"? - Typographie und Layout im Übersetzungsprozeß Ziel dieser Arbeit ist es, die Beziehung von translatorischer und typographischer Praxis aufzudecken und in ihrer vollen Tragweite zu erfassen, die Rolle und den Stellenwert der visuellen Textgestaltung im professionellen Übersetzungsprozeß zu klären und die Konsequenzen aufzuzeigen, die sich unter professionellem Blickwinkel für die Ausbildung von Übersetzern in einem Hochschulstudium ergeben; gleichzeitig soll durch kritische Betrachtung der herrschenden translatorischen Praxis zur Entwicklung eines echten translatorischen Vollberufs beigetragen werden. Die Antwort auf die im Titel metaphorisch genutzte Frage muß einerseits im translatorischen Arbeitsprozeß sowie im Kompetenzprofil und im beruflichen Selbstverständnis des Übersetzers gesucht werden und das heißt letzten Endes in dessen Ausbildung. Andererseits liegen die Gründe im Wesen der Typographie, denn aus semiotischer Perspektive ist davon auszugehen, daß typographische Mittel Zeichencharakter besitzen, somit anfällig für Kulturspezifik sind und ein Translationsproblem darstellen können. Schließlich ist zu berücksichtigen, daß die Schreibtechnologie DTP einen neuen Translattyp, die publikationsfertige Übersetzung, auf den Translationsmarkt gebracht hat, bei der verbale und visuelle Gestalt des Textes vom Übersetzer angefertigt werden. Wenn dieser aber nicht über ausreichende typographische Kenntnisse und Fertigkeiten verfügt, sind visuelle Defekte unvermeidbar. Übersetzen wird hier aufgefaßt als professionelle Tätigkeit, bei der auf Bestellung Kommunikationsmittel angefertigt werden, die vom Auftraggeber oder dessen Klienten im Rahmen interkultureller Kommunikation eingesetzt werden. Da Übersetzungen in dieser Funktion aber meist in typographischer Form und als Teil von multimodalen Kommunikationsmedien verwendet werden, ist es notwendig, neben der sprachlichen Ebene und der kommunikativen Struktur des Textes auch dessen visuelle Dimension (Typographie) zu berücksichtigen und Texte als mehrdimensionale Zeichengewebe zu sehen, die notfalls in Kooperation mit anderen Textfachleuten herzustellen sind. Von voll professionellem Übersetzen läßt sich erst sprechen, wenn der Übersetzer in der Lage ist, den Herstellungsprozeß einer Drucksache holistisch zu überschauen und alle drei Vertextungsebenen zu berücksichtigen sowie in den entsprechenden Arbeitsphasen die ihm zufallenden Aufgaben zu übernehmen. Besonders wichtig wird dies bei Herstellung des Translats in der Ausgangskultur, da im allgemeinen nur der Übersetzer in der Lage ist, auf zielkulturelle Gestaltungskonventionen aufmerksam zu machen bzw. diese zu berücksichtigen. Zum Nachweis visueller Kulturspezifik wurden für einen Korpus von 120 deutschsprachigen Reiseprospekten (davon 60 in Deutschland hergestellt, 60 in Finnland) mit Hilfe eines Erfassungsbogens relevante typographische Daten verglichen. Dabei zeigte sich deutlich, dass die in der finnischen Ausgangskultur hergestellten Prospekte häufig nach finnischen Konventionen gestaltet waren. Außerdem wies im Vergleich zum deutschen Korpus ein wesentlich größerer Teil des finnischen Korpus typographische Mängel und somit ein typographisch niedrigeres Gestaltungsniveau auf. Daraus leitet sich die Schlußfolgerung ab, daß Voraussetzung zum kompetenten typographischen Handeln des Übersetzers eine auf gesonderte Ausbildung beruhende typographische Basiskompetenz ist, die Teil der professionellen translatorischen Kompetenz sein sollte. Diese Basiskompetenz muß umfassender sein als die im Rahmen der Kultutechnik "Typographisches Schreiben" heute beherrschten Kenntnisse und Fertigkeiten und durch ein spezielles Modul im Studium erworben werden.