Berliner Zeitung, Montag, 24. Mai 2004
Das Bild an der Wand
Julius H. Schoeps ist einer der umtriebigsten Erforscher und Popularisierer der Geschichte des deutschen Judentums. Seine Autobiografie ist schon darum interessant. Jungen Lesern macht sie klar, dass auch aus einem mehrfachen Sitzenbleiber ein erfolgreicher deutscher Professor werden kann. Seinen Altersgenossen ruft Schoeps nicht nur etwa die Theaterbegeisterung der frühen sechziger Jahre in Erinnerung, deutlich wird auch, wie lange es dauerte, bis der am 1. Juni 1942 im schwedischen Exil geborene Sohn des berühmtesten preußischen Juden der Zeit sein Judentum entdeckte; erst nach vielen Fluchten vor seinem Vater wurde auch er ein Erforscher der deutschen Geistesgeschichte, wie jener einer gewesen war. Schoeps hat einen Blick für das bezeichnende Detail. Dass zum Beispiel das Wiener Theodor-Herzl-Symposium vom Mai 1985 unter einem Bild des berüchtigten antisemitischen Bürgermeisters der Stadt Karl Lueger stattfand, das sieht er nicht nur, sondern er erkennt auch das Symbolische darin.
Von Arno Widmann