Die Kirchenväter wie insbesondere Ambrosius und Augustinus beschäftigten sich vielfach mit Fragen des Gerichtsverfahrens. In ihrer Funktion als bischöfliche Richter sahen sie sich als "Augen der Kirche" verpflichtet, den christlichen Glauben mit der Gesellschaft zu verbinden. Die frühe Kirche entwickelte damit zum 4. Jahrhundert eigene ethisch inspirierte Grundannahmen und Ziele des Prozessrechts. Aus den meist versprengten Aussagen der Kirchenväter formte sich das mittelalterliche römisch-kanonische Prozessrecht. Wahrheit und Gerechtigkeit, beides verstanden als Konkretisierungen Gottes, bildeten neue Ziele des Urteils, durch die der neue Glaube als Grundlage der christlichen Gesellschaft realisiert werden sollte. Das Recht wurde zunehmend als Mittel zur Vorbereitung der Seelen auf das ewige Leben, der Prozess als Vorinstanz des Jüngsten Gerichts, die Strafe als Medizin der Seele aufgefasst. Zwar sollten Christen möglichst nicht vor Gericht streiten, doch kam der Prozess in Betracht, um Zwistigkeiten und Skandale zu beseitigen. Die Kirchenväter förderten die ethische Ausrichtung der Gesellschaft durch Gesetze und Gerichte. Damit schufen sie der Hierarchie der säkularen Amtsträger bis hin zum Kaiser eine neue Legitimität, sofern sie die christliche Ethik berücksichtigten. So löste etwa ein neues Beweisrecht die frühere Gerichtsrhetorik ab mit dem Ziel, Beweiskraft und -gewinnung zu regeln, um eine einheitliche Rechtsprechung zu garantieren. Die sich wandelnde Einstellung der frühen Kirche zum Recht spiegelt sich dabei in der Ikonographie Jesu, der zunehmend als himmlischer Kaiser und Richter dargestellt wird.