Oscar Wildes Märchen? Für vieles ist Wilde heute bekannt: Für Dorian Gray
(1891), für seine zahlreichen Gesellschaftskomödien und nicht zuletzt für sein
freizügiges Privatleben und seine sexuellen Neigungen. Aber Oscar Wilde war
auch Märchenautor. In seinen beiden Bänden The Happy Prince and Other
Tales (1888) und A House of Pomegranates (1891) schöpft Wilde eine völlig
neue Form von Kunst-Märchen. Zentral hier ist die vehemente Ablehnung von
viktorianischen Kunstvorstellungen, nach denen Kunst einen moralischen
Lehrauftrag haben soll. Dagegen formulieren die Ästhetizisten im sogenannten
Autonomiepostulat, dass Kunst nur um der Kunst willen (l'art pour l'art)
existieren darf. Doch wird dieses Postulat in den Märchen eingehalten? Sind
Wildes Märchen ausschließlich der Ästhetik gewidmet? Oder verfolgt der
Autor etwa auch moralische Ziele, die im Widerspruch zur Autonomieforderung
stehen? Nach einer intensiven Auseinandersetzung mit den bisher wenig
erforschten Märchen werden diese Fragen in einer spannenden Schlussfolgerung
vom Autor beantwortet.