Die Entstehung dieses Buches liegt wohl in der Logik der Sache. Meine Beschäftigung mit der "Bergpredigt" (Mt 5-7) führte zu einer ausführlichen Deutung der "Seligpreisungen (Mt 5,3-12) (1), die meine Gedanken auf das Vaterunser (Mt 6,9-13) lenkte.
Zwischen den "Seligpreisungen" und dem "Vaterunser" besteht nach meinem Verständnis ein Zusammenhang, der vom "Himmelreich", bzw. "Reich Gottes" auch "Herrschaft Gottes" gebildet wird. Wer durch seine Verhaltensweise das Reich Gottes anfanghaft auf Erden erfahrbar macht, wird von Jesus selig gepriesen. Die drei ersten Bitten des "Vaterunser" beziehen sich ebenfalls, wenn auch aus verschiedener Sicht, auf die Erfahrbarkeit, bzw. das Kommen des Reiches Gottes.
Man kann das "Vaterunser" gewohnheitsmäßig beten, ohne die Oberfläche der wortwörtlichen Bedeutung zu verlassen, was die Regel ist. Man kann auch über das "Gebet des Herrn" zur geistlichen Erbauung meditieren, indem der Wortsinn - ohne die übliche Einengung aufzugeben - vertieft wird. Man kann aber auch das "Vaterunser" als Vermächtnis Jesu für die Weiterführung "seiner Sache" interpretieren und daraus eine breitere Basis mit neuen Schwerpunkten für die Glaubensverwirklichung gewinnen.
Ich habe mich für die letztgenannte Möglichkeit entschieden und bin dabei auf die Erkenntnis gestoßen, dass die Bitten um das Reich Gottes auch als Zusagen verstanden werden können und sollen. Diese Zusagen wirken dann durch ihren Inhalt als Bekenntnis zu einer bestimmten Glaubensverwirklichung. Außerdem fand ich bestätigt, dass die Mitwirkung an der Auferbauung des "Reiches Gottes" zum zentralen Anliegen des Glaubens gehört, das in Verkündigung und Katechese aber nicht die ihm gebührende Stelle einnimmt.
Die Interpretation des "Vaterunser"' als Bekenntnis zur Glaubensverwirklichung stammt aus kritischer Einstellung, die neue Gedanken nicht von alten Gewohnheiten unterdrücken lässt. Es geht einfach darum, dass das, was gebetet wird, auch als Bekenntnis wirkt, das die Verhaltensweise bestimmen soll. Das "Vaterunser" hat daher sehr viel mit dem Glauben und der Glaubwürdigkeit der Gläubigen zu tun.