1m Jahre 1749 richtete die Akademie von Dijon folgende Preisfrage an das gelehrte Pubhkum: "Hat der Wiederaufstieg der Wissenschaften und KUnste zur Uiuterung der Sit ten beigetragen?" FUr die Trager und Anhan ger der "Aufklarung" war dies keine oder eher eine provozierende Frage. In der von Dlderot und J. le Rond d'Alembert von 1751 an herausgegebenen groBen "Encyklopedie" manifestiert sich eindrucksvoll der Optimismus der Enzyklopadisten, "Aufklarung durch wissenschaftliche Bildung" (vgl. J. MittelstraB 1980d, 5. 559) errelchen zu konnen. Oem gelehrten FleiB, der umfassenden Unterrichtung und dem offentlichen Rasonnement wurde bei der von der Aufklarung erhofften gesellschaftlichen Erneuerung die zentrale Rolle zugeschrieben. Es verwundert daher nicht, daB elf Autoren die Frage der Akademie positiv beantworteten. 1m Gegensatz zu diesem Erkenntnisoptimismus der "Aufklarer" beantwor teten der 37jahrige J. J. Rousseau und ein gewisser Grosley die Frage ne gativ. Rosseau gewann mit seiner Abhandlung von 1750 den ersten Preis der Akademie, Grosley den zweiten. Rosseau ging in seiner Ablehnung der Aufklarung sogar so weit zu sagen, Kunst und Wissenschaft seien die eigentlichen Ursachen fUr den sittlichen Verfall: "In dem MaBe, in dem unsere Wissenschaften und KUnste zur Vollkommenheit fortschritten, sind unsere See len verderbt worden. " (Rousseau 1971, 5. 15) Er verurteilt die Nutzbarmachung der Wissenschaft mit aller Scharfe und empfiehlt in seinem Feldzug gegen die Dekadenz der Sitten, zur "glUcklichen Unwissenheit" und zum "Naturzustand" zurUckzukehren; das natGrliche Leben der einfachen Menschen auf dem Lande stellt er als vor bildlich und nachahmenswert hin (vgl. 5. 11).