Die Beiträge des Bandes untersuchen die Genese der Rechtsphilosophie Kants und zeigen auf, dass deren grundlegende Thesen lange vor der „Metaphysik der Sitten“ (1797) existierten. Das erfordert die Analyse der kantischen Vorlesungen zum Naturrecht in den handschriftlichen Quellen, die die Interpretation der veröffentlichten Werke entscheidend ergänzen können: Kant hielt in Königsberg von 1767 bis 1788 Vorlesungen zum Naturrecht, von denen nur eine einzige handschriftliche Abschrift aus dem Sommersemester 1784 erhalten ist – „Naturrecht Feyerabend“.
Mit der philosophischen Analyse der Vorlesungsnachschrift, die bislang von Forschern unter rechts-, moral- und kulturphilosophischen Aspekten nur in Ansätzen untersucht wurde, soll durch die Bestimmung des Verhältnisses von Recht und Moral eine grundlegende theoretische Vorarbeit für einen internationalen Dialog über die normativen Grundlagen des modernen Rechtsstaates geleistet werden.
Nach der Wiederentdeckung der normativen Ethik Kants sowie seines politischen Denkens in der internationalen Kantforschung und den „Humanities“ vervollständigt die Neubewertung der Rechtslehre die Renaissance der praktischen Philosophie Kants – sicherlich eines der wichtigsten Phänomene der moralischen und der Rechts-Kultur unserer Zeit.