Das Konzept ‚Mängelwesen‘ hat seine vielleicht bekannteste Formulierung auf dem Feld der Geisteswissenschaften durch die philosophische Reflexion von Arnold Gehlen gefunden. In seinem Buch Der Mensch. Seine Natur und seine Stellung in der Welt (1940) entwirft er die nicht unumstrittene These, dass der Mensch ein solches ‚Mängelwesen‘ sei, da er weder somatisch noch auf dem Feld der Instinkte eine adäquate Anpassung an die Welt aufweisen könne. Im Vergleich zu anderen Lebensformen und Spezies sei er zudem arm an Mitteln zur Befriedigung sinnlicher Bedürfnisse. Dies führt nach Gehlen dazu, dass der Mensch situativ stetig interagieren muss und somit seine Zwecksetzungen gestalterisch einholt, um die eigene perzeptive und instinktive Mangelhaftigkeit zu kompensieren und Erfahrungsmöglichkeiten zu modellieren bzw. ggf. erhöhen. Der grundlegend anthropologische Diskurs zur Mangelhaftigkeit scheint deshalb konstitutiv mit Formen – im Sinne von Konzepten, Praktiken und nicht zuletzt Kulturtechniken – des Gestaltens zusammenzuhängen, die sich historisch konkretisieren. Der Band Figurationen des Mangels in Ästhetik, Design- und Kunstpraktiken geht dieser Erkundung von singulären Entwürfen und theoretisch-historischen Konstellationen nach, den Erscheinungen der Mangelhaftigkeit und des gestalterischen Umgangs mit ihren medialen und sinnlich-somatischen Ausformungen. Dabei werden nicht allein traditionelle Konzepte und Denkfiguren der Philosophie wie etwa jene des Supplements, der Prothese oder der Entlastung neu analysiert, sondern auch zeitgenössische medienästhetische und designtheoretische Ansätze. In dieser Hinsicht werden gestalterische Erprobungen (auf dem Gebiet sowohl der Kunst wie des Designs) sowie Körper- und Medienkonfigurationen, die sich durch spezifische Praktiken ereignen, als Problemfelder eines Diskurses des ‚Mängelwesens‘ betrachtet.