Die beiden Zerstörungen des Jerusalemer Tempels in den Jahren 587 v. und 70 n. Chr. markieren tiefe Einschnitte in der Geschichte des jüdischen Volkes und des Vorderen Orients. Der gewaltsame Verlust des Tempels in Jerusalem, der die religiöse Mitte der Gemeinschaft und zugleich auch den zentralen Bezugspunkt ihres sozialen und politischen Lebens darstellte, erschütterte - weit über die unmittelbar betroffenen Gruppen und Generationen hinaus - die religiöse und politische Identität und Selbstwahrnehmung der Juden, aber etwa auch der Christen. So forderten diese Katastrophen unmittelbare Reaktionen, bedingten aber ebenso dauerhafte Bemühungen um Reflexion und Deutung.Die Bedingungen und Arten der Wahrnehmung und Bewältigung der durch die Tempelzerstörung ausgelösten und im zerstörten Tempel versinnbildlichten existentiellen Krise der Religion und der Gemeinschaft sowie die hieraus entspringenden, ihrerseits alsbald geschichtsmächtigen Texte, Konzepte, Instrumentalisierungen und Wirkungen stehen im Mittelpunkt der Untersuchungen des vorliegenden Bandes. Die Autoren behandeln Voraussetzungen, Intentionen und Wirkungen der in den Ereignissen und Reaktionen wirksamen Kräfte und analysieren die dabei entwickelten Deutungsmuster und Bewältigungsstrategien sowie die Rezeptionsgeschichte aus der Perspektive von Altorientalisten, Alt- und Neutestamentlern, Judaisten, Althistorikern und Kirchenhistorikern.