OElberg, Pilatuspalast, Golgatha, Grabesstatte: die Passion Christi fand an konkreten Orten in und vor der Stadt Jerusalem statt. Der fromme Nachvollzug des Leidens des Erloesers in Mittelalter und Fruher Neuzeit aktivierte diese raumliche Dimension auf vielfaltige Weise. Kreuzwege und Kalvarienberge evozierten die Topographie der Kultstatten des fernen Heiligen Lands. Geistliche Schauspiele, Prozessionen und Hinrichtungsrituale verwandelten spatmittelalterliche Stadte in hybride Raume, in denen die Erinnerung der Passion mit der Gegenwart der Glaubigen verschmolz. Tafelbilder, illustrierte Handschriften und Raumdekorationen eroeffneten imaginare Passionsraume, in die sich die Betrachterinnen und Betrachter versetzen konnten. Die Passion Christi wurde so verinnerlicht und erhielt einen Ort im Herzen der Glaubigen. Diese bisher vernachlassigte raumliche Dimension der Passionsfroemmigkeit ist das Thema des kunsthistorische, historische sowie literaturwissenschaftliche Beitrage umfassenden Bandes. Er verfolgt exemplarisch die Geschichte der zur Visualisierung der Passion Christi entwickelten Raumkonzepte und Raumsemantiken von der Spatantike bis zum 16. Jahrhundert.