Im 16. Jahrhundert entstand ein voellig neuer Buchtyp, namlich die Bilderbibel, die die wichtigsten Ereignisse des Alten und Neuen Testaments anhand von bildlichen Darstellungen nacherzahlt. Der Bibeltext selbst erscheint nicht, er wird hoechstens durch knappe Bildunterschriften ersetzt. Bilderbibeln wurden in den grossen europaischen Verlagszentren herausgegeben, in Frankfurt und Basel, Paris und Lyon, Antwerpen und Amsterdam, aber auch in Wittenberg und Rom. Es fallt auf, dass in der Ikonografie, der Themenwahl oder der Auslegung kaum konfessionelle Unterschiede zu finden sind. Katholische und protestantische Kunstler und Grafik-Verleger bezogen sich meist nicht ausschliesslich auf die eigenen Glaubensgenossen oder den oertlichen Markt, sondern, wie es der Amsterdamer Verleger Visscher ausdruckte, auf das ganze "Christenreich". Ihre alttestamentliche Druckgrafik wurde daruber hinaus auch von judischen Kollegen und Kunden geschatzt.
Diese Untersuchung richtet ihr Augenmerk auf Kunstler wie Hans Holbein, Raphael und Rembrandt; Verleger wie Christophe Plantin, Sigmund Feyerabend und Claes Janszoon Visscher; Autoren wie Martin Luther, Gilles Gorrozet und Reyer Anslo. Ausser den Produzenten (Kunstler und Verleger) werden auch die "Konsumenten" behandelt: In welchen sozialen und kulturellen Kreisen zirkulierten Bibelbilder und Bilderbibeln? Wie und zu welchem Zweck wurden sie verwendet? Auf der Grundlage von Selbstzeugnissen und anderen Quellen werden im abschliessenden Kapitel verschiedene Arten des Umgangs, der Betrachtung und der Verwendung von Grafik in der fruhen Neuzeit skizziert.