Mit den Transformationsprozessen, die seit 1989 in Polen stattgefunden
haben, geht der Aufbau neuer politischer, wirtschaftlicher, sozialer und kultureller
Institutionen einher, die zu einem radikalen Umbau des Alltags der
Menschen führen, wovon die Sexualität nicht unberührt bleibt. Die Sexualität
rückt im Zuge problematischer Entwicklungen wie steigender Aidsraten, Abtreibung,
Frauenhandel, Gewalt an Kindern oder Pornografie zunehmend in
den Mittelpunkt öffentlicher Diskussionen, politischer Debatten und medialer
Berichterstattung im postkommunistischen Polen. Kann bezüglich dieser
Veränderungsprozesse von einer sexuellen Revolution, die der westlichen von
1968 vergleichbar ist, gesprochen werden? Oder stellt der sexualkulturelle
Wandel in Polen nicht vielmehr einen Schauplatz des polnischen Kulturkampfes
dar? Im Hinblick auf diese zentralen Fragen wird bei der Analyse der
Sexualität im Postkommunismus das Wechselverhältnis von Privatheit und
Öffentlichkeit aufgegriffen. Die Analyse gesellschaftlicher, kultureller und
politischer Reaktionen auf in der Öffentlichkeit ,neue' sexuelle Phänomene
sowie sexualkultureller Veränderungen im Privaten bilden dabei den Schwerpunkt.