Seit zwanzig Jahren setzt die Forschung zu Leben, Werk und Wirken von Jeremias Gotthelf neue Akzente. Sie erkundet die innovative Poetik seiner volkspädagogischen Erzählungen als Alternative zu gängigen Traditionen realistischen Erzählens, und sie ersetzt das Bild des Moralpredigers durch jenes eines aufgeklärten und modernen Pfarrers. An die Stelle des reaktionären Bauerndichters tritt das Bild eines Analytikers der ökonomischen und sozialen Bedingungen der Armut. Früh sah Gotthelf die Problemseiten der Industrialisierung und erkannte genauso die Folgen eines Festhaltens an alten Formen des Wirtschaftens. Sein Einsatz für die Schule korrespondierte mit zeitgemäßen pädagogischen Bemühungen; sein publizistisches Wirken diente den Prozessen der politischen Meinungsbildung in einer für ihre Zeit freien republikanischen Gesellschaft. Begriffe wie Freiheit, Gleichheit, Mündigkeit, Fürsorge, Kommunalität und Anthropologie prägen die Gotthelf-Debatten der letzten Jahre. Gotthelfs Werken wird nur ein interdisziplinärer Blick gerecht. Erstmals versucht das Gotthelf-Handbuch diesen Forschungsstand zu sichern und damit zu weiterer Forschung einzuladen.