J erome Bruner's wieder und wieder zitierte Feststellung: "Any idea or problern or body of knowledge can be presented in a form simple enough so that any particular learner can un- derstand it in a recognizable form." (J. S. Bruner: Toward a theory of instruction. Cam- bridge 1966, S. 44) hat eine weitaus weniger bedachte Folge fur die Einschatzung von Schu- lerfehlern, nicht nur im Mathematikunterricht. Das Problem der Entwicklung des Denkens wird namlich damit auf die geeignete inhaltliche Aufftillung, Strukturierung und Ausdiffe- renzierung eines grundsatzlich vorhanden gedachten Denkvermoegens, einer von vornherein verftigbaren Fahigkeit zu intelligenter Informationsverarbeitung und zu intelligentem Han- deln verschoben, und das heisst etwas weg vom Abwarten auf das Sichereignen bestimmter Entwicklungsvoraussetzungen und auf die Vollendung bestimmter Entwicklungsstufen. Bruner postuliert damit eine Wechselwirkung zwischen inhaltlichem Angebot, inneren und ausseren Aktivitaten des Schulers und der physiologischen Entwicklung organischer Dispo- sitionen. Fehler, die ein Schuler macht, sind aus dieser Sicht niemals nur in individuellen Anpassungsschwierigkeiten zu suchen oder in organischen Dispositionsmangeln, sondern prinzipiell ebenso und zunachst in Defiziten des inhaltlichen Lernangebotes oder allgemei- ner: in den spezifischen Bedingungen der jeweils konkret gegebenen Lehr-Lern-Situationen. Schlicht gesagt: Ein Lehrer ist dann ein guter Lehrer, wenn er den Schulerfehler auch als "seinen" Fehler akzeptiert und entsprechend in beide Richtungen-beim Schuler und bei sich - aufarbeitet.