l. Begriff und Aufgabe des deutschen Privatrechts. I. Das deutsche Privatrecht als Rechtsdisziplin hat die Aufgabe, die Begriffe und Vorstellungen aufzuzeigen, die, dem deutschen Kulturbereiche entstammend, zum Aufbau des Gegenwartsrechts mitgewirkt haben. Es gibt also keine Darstellung des geltenden deutschen Privatrechts, sondern nur eine Einfuhrung, und zwar von der Seite des germanischen Rechts her, wie die Institutionen des roemi- schen Privatrechts von der des roemischen. Die Methode ist zunachst die geschichtliche. Es ist von unendlichem Erkenntniswert, an der Hand des germanischen Rechts die primitiven, noch unverbildeten Rechtssatze, die noch von rationalistischer Begriffsbildung frei sind, herauszuschalen. Sodann ist die Bildung der deutschen Rechts- begriffe im Ablaufe der deutschen Rechtsentwicklung nachzuweisen: die Kausalitat der Fortgestaltung, insbesondere die inneren und ausseren Einflusse, das EntwicklungszieL Sie muss aber zugleich die dogmatische sein. Denn auch die Rechtsbegriffe fruherer Zeiten koennen nicht erfasst werden, wenn nicht der Gesamtbau des Rechts ihrer Zeit lebendig erkannt wird. Hierfur bietet das Recht des deutschen Mittelalters das beste Erkenntnismaterial, was um so wichtiger ist, als das deutsche Recht hier seine vom roemischen Recht noch unabhangige intensivste Durchbildung erreicht hat. Es wird sich zeigen, dass die dem germanischen Geiste entsprossenen, im Rechtsleben des deutschen Mittelalters in reichem Wechsel ent- falteten, in der Rezeptionszeit nur scheinbar verlorenen deutschen Rechtsgedanken in der geltenden Rechtsordnung grosse Gebiete des Privatrechts, wie besonders das Sachen- und Familienrecht, in allen wichtigen Grundfragen beherrschen. Dies kritisch zu ergrunden, ist die erste Aufgabe. II. Damit verbinden sich weitere Ziele.