Mit den neuesten Entwicklungen der Bio-Art verwirklicht sich scheinbar ein Jahrtausende alter Menschheitstraum - der Traum vom Künstler als zweitem Gott und Schöpfer eines eigenen, belebten Universums. Erstmals treten heute KünstlerInnen mit dem Anspruch auf, tatsächliche, genetisch veränderte Lebewesen nach ihren Vorstellungen als Kunstwerke zu erschaffen. Eingelöst scheint, was zuvor als unerreichbarer Fluchtpunkt künstlerischen Strebens, als Beschreibungsmetapher, Modellvorstellung und Qualitätskriterium für Kunst galt, daß nämlich Kunstwerke ‚Lebewesen' sind oder sich doch am besten durch Konzepte erfassen lassen, die dem Bereich biologischer Lebensvorgänge enstammen. Die Fragen nach der visuellen Umsetzung von Theorien und Topoi des ‚lebenden Kunstwerks' in ihrer historischen Entwicklung bestimmen dieses Buch: In welchen Formen vollzieht sich der künstlerischer ‚Belebungs'-Akt? Wie wird das ‚Leben' nicht nur an die Bildwerke heran-, sondern hineingetragen? Wo liegen die Bedingtheiten der Artefakte und mit welchen Mitteln werden sie versuchsweise überschritten? Schließlich: Wie verändert sich auf Seiten des Betrachters die Wahrnehmung eines derart die Grenzen von Kunst und Leben in Frage stellenden Objekts? In jedem Fall erfolgt eine solche visuelle Aktualisierung von ‚Lebendigkeit' im Kunstwerk stets in Verbindung mit geschlechtsspezifischen Konzeptualisierungen des ‚Lebens': In den Vorstellungen über die Kreativität des Künstlers/der Künstlerin und der Wirkung des Kunstwerks werden biologische Prozesse, gendering und künstlerische Schöpfung aufeinander projiziert.