Birgitta Nedelmann I Der Ausgangspunkt Viele dramatische Erscheinungen der jüngsten Vergangenheit legen es nahe, politischen Institutionen und deren Wandel gesonderte Aufmerksamkeit zu schenken. Der System zusammenbruch in Ostmitteleuropa und die Vereinigung der beiden deutschen Teilstaaten hat der soziologischen Institutionenanalyse eine Reihe wichtiger Forschungsfragen aufge tragen: Wie sieht der Prozeß des Zusammenbruchs traditioneller Institutionen eigentlich im einzelnen aus? Wie werden überholte, aber renitente Institutionen "abgewickelt", wie neue aufgebaut? Wie lassen sich Institutionen westeuropäischen Modells in osteuropäische Kontexte transferieren und dort integrieren? Einige dieser Fragen sind bereits soziologisch erforscht worden, die Beantwortung anderer steht noch aus. Aber nicht nur der Zusammenbruch der sozialistischen Systeme fordert die soziologische Institutionenanalyse heraus, sondern auch der oft nicht minder dramatische Wandel, den einige westeuropäische Demokratien seit einiger Zeit erfahren. Hierbei ist etwa an die Umwälzungsprozesse gedacht, die die italienische Republik (ob "erste" oder "zweite", sei dahingestellt) seit einigen Jahren durchmacht. Obwohl der Zusammenbruch der italieni schen Demokratie bereits vielerseits vorhergesagt und befürchtet worden ist, haben die zentralen demokratischen Institutionen Italiens die fast tagtäglichen Zerreißproben bislang noch bestanden. Die Ursachen für die Stabilität und Zähigkeit bereits krisenhaft ange schlagener politischer Institutionen zu erforschen, ist eine vordringliche Forschungsfrage, die gerade durch den Fall Italien nahegelegt wird. Aber auch andere westeuropäische Demokratien sind vor Probleme gestellt, die den Kernbestand ihrer politischen Institutionen betreffen. Vorallem die politischen Parteien und das westeuropäische Parteiensystem sind von einem tiefgreifenden Wandel ergriffen.
Contributions by: Thomas Koepf