Burkart Lutz 1. Schwächen und Verkürzungen der frühen Transformationsforschung Die tiefgreifenden Veränderungen in den wirtschaftlichen und politischen Verhältnissen Ostdeutschlands und in den Lebensbedingungen und Lebens chancen der ostdeutschen Bevölkerung, die im Gefolge der deutschen Einheit vonstatten gingen, lösten - unterstützt durch eine größere Zahl von Förder programmen - einen regelrechten Boom an Untersuchungen aus, für die sich sehr schnell der Oberbegriff der "Transformationsforschung" durchsetzte. Ih ren Fragestellungen und den Analysen und Interpretationen der Veröffentli chungen, die aus ihnen hervorgingen, lag nahezu durchgängig eine Argumen tationsfigur zugrunde, die weit über die Wissenschaft hinaus die öffentliche Diskussion bestimmte und die man geradezu als Paradigma der frühen Trans formationsforschung bezeichnen kann. Sie läßt sich ohne unzulässige Verein fachung in zwei Thesen zusammenfassen: 1. Der rasche Transfer der westdeutschen Institutionen in die ostdeutsche Wirtschaft und Gesellschaft löste Anpassungsprozesse in nahezu allen gesellschaftlichen Bereichen aus, die früher oder später - spontan oder mit Unterstützung staatlicher Hilfsprogramme - in einer weitgehenden Angleichung an die Verhältnisse münden werden, die sich in West deutschland (wie in allen anderen westlichen Industrienationen) seit dem zweiten Weltkrieg herausgebildet haben. 2. Die westlichen Verhältnisse liefern demzufolge die adäquate Folie und die zu ihrer Analyse entwickelten Konzepte und Methoden das geeignete Instrument zur Untersuchung der transformationsbedingten Veränderun gen.