Vertiefung und Erweiterung charakterisieren die Europäische Union zu Be ginn des 21. Jahrhunderts. Als erfolgreiches Ordnungsmodell des europäi schen Kontinents kommt sie nicht umhin, auch jene europäischen Staaten in ihre Reihen aufzunehmen, die aus den unterschiedlichen Gründen bislang Abstand gehalten hatten. Insbesondere muß sie jenen Staaten einen Platz bieten, die lange Jahre Abstand halten mußten, weil sie bei der Teilung Euro pas durch den Ost-West-Konflikt auf die sowjetische Seite geraten waren. Gleichzeitig drängen sich der Europäischen Union neue Aufgaben auf: sozial und wirtschaftspolitische Harmonisierung nach der Vollendung der Wäh rungsunion, Umwelt- und Verbraucherschutz, Verbrechensbekämpfung, eine gemeinsame Außenpolitik und eine eigenständige Sicherheitspolitik. All dies macht institutionelle Reformen noch dringlicher, als sie ohnehin schon sind: Mit einer Struktur, die ursprünglich auf die Herbeiführung und Gewährlei stung eines Gemeinsamen Marktes von sechs Mitgliedsstaaten hin konzipiert war, kann die Europäische Union den vielfältigen Aufgaben, die sie unterdes sen übernommen hat und jetzt noch zusätzlich übernehmen muß, nicht mehr gerecht werden. Vertiefung und Erweiterung stellen keine gegensätzlichen Optionen dar, auch wenn dies viele Anwälte einseitiger Interessenpolitik behaupten. Weder läßt sich die Osterweiterung der Europäischen Union mit dem Hinweis auf die zuvor erforderlichen Reformen auf die lange Bank schieben noch wird eine solche gewaltige Ausweitung der Mitgliederzahl ohne eine Stärkung der Ge meinschaftsstrukturen zu leisten sein. Wie beides miteinander in Einklang gebracht werden soll, ist damit freilich noch nicht gesagt. Die gegenwärtige Umgestaltung der Europäischen Union istGegenstand eines politischen Kräfteringens ebenso wie einer ideell-konzeptionellen Debatte.