"Interdisziplinarität" ist eine frühe Qualität des phänomenologischen Denkens: Adolf Reinachs "Die apriorischen Grundlagen des bürgerlichen Rechts" (1913) geben den Startschuss für eine reichhaltige, differenzierte und heterogene Theoriebildung an der Schnittstelle von Phänomenologie, Rechtswissenschaft und Rechtsphilosophie, die bis in die Gegenwart reicht.Dabei inspirieren die phänomenologischen Themen der (Inter-)Subjektivität, der Konstitution von Sinn, der Lebenswelt und Existenz sowie ihre methodisch forcierte Erfahrungs- und Phänomennähe neue Zugänge zum Rechtsphänomen und dessen theoretischer Erfassung: Husserls Logik, Eidetik, soziale Ontologie und Lebenswelt werden in so unterschiedlichen Gebieten wie einer Theorie des Versprechens oder einer rechtspositivistischen Wissenschaftstheorie fruchtbar gemacht. Ebenso finden sich produktive rechtsphänomenologische Fortführungen von Heideggers, Schelers und Merleau-Pontys Ansätzen. Gegenwärtige Strömungen umfassen Ansätze der Alteritätsethik sowie Überlegungen zu Menschenrechten und Gerechtigkeit.Rechtsphänomenologische Theorien erweisen ihre Stärke vor allem als philosophisch-kritische Reflexionen auf das Recht und darin, dem rechtlichen Phänomen ein Verständnis abzugewinnen, welches sich nicht in einer Rechtswissenschaft erschöpft, sondern das "rechtliche Sein" des Menschen im Ganzen befragt: als Theorien der Rechtserfahrung, der Intersubjektivität und Lebenswelt, der Alterität, der Sinnkonstitution, der Genesis von Ordnungen, der Aufmerksamkeit auf Brüche, der Analyse von Geltungsstrukturen, operativen Prozessen, Sedimentierungen und Habitualisierungen.