Nun gibt es aus gutem Grund die Unterscheidung zwischen theoretischer bzw. allgemeiner und angewandter Kriminologie. Und so wird man anerkennen, dass es dem Charakter von Grundlagenforschung widerspricht, unablässig auf konk- te Verwertungsmöglichkeiten zu schielen. Problematisch aber dürfte das Selb- verständnis einer Kriminologie sein, die ihre Funktion generell nur darin sieht, der Gesellschaft oder bestimmten Akteuren allenfalls einen kritischen Spiegel vorzuhalten und sie so zum Nachdenken zu bringen, sich aber darüber hinaus jeder Inanspruchnahme verweigert, um zu einer Verbesserung der Verhältnisse beizutragen. Kaum weniger problematisch ist die Variante der Kriminologie, die mutwillig oder fahrlässig ihre Anschlussfähigkeit an die kriminalpolitische D- kussion und die Praxis der Kriminalitätskontrolle auf Spiel setzt. Von einer Fachwissenschaft, die sich mit einem gesellschaftlichen Problemfeld wie der Kriminalität beschäftigt, können Erkenntnisse und Diskussionsbeiträge erwartet werden, die in welcher Form auch immer praxisrelevant und nützlich sind. Ein entsprechendes Bewusstsein dafür sollte sich schon aus dem Verantwortungs- fühl und der Berufsethik der Forscher speisen, aber natürlich hat dies auch A- wirkungen auf die gesellschaftliche, politische und mediale Anerkennung der Zunft und die Ausgestaltung ihrer Rahmenbedingungen. Dabei wird die tendenziell bei allen Wissenschaftsdisziplinen bestehende Kluft zwischen Theorie und Praxis nicht verkannt, folgen doch Wissenschaft und Politik bzw. (Berufs-)Praxis unterschiedlichen Zielen und Handlungslogiken. Aber dennoch sollte Wissenschaft ihren Zweck nicht nur in sich selbst finden. Trotz der immer wieder beklagten Schwierigkeiten, in der Medien- und Inter- sendemokratie Gehör zu finden undwirksam zu einer rationalen Kriminalpolitik beizutragen, gibt es zu solchem Bemühen keine vertretbare Alternative.