Keine überkommene Disziplinenbezeichnung hat in den vergangenen fünfzehn Jahren die Debatten über die Orientierungskrise der Geisteswissenschaften so angeregt wie der Begriff der Kulturwissenschaften. Stellt er für die einen eine mögliche Antwort auf den als dringend empfundenen Modernisierungsbedarf des überlieferten Fächerspektrums dar, so sehen andere in ihm zugleich die Gewähr für eine internationale Anschlußfähigkeit der kulturwissenschaftlichen Forschung in Deutschland an das angelsächsische und französische Vorbild der Cultural Studies bzw. der Sciences de l'Homme. Insofern lohnt es sich, noch einmal in Erinnerung zu rufen, in welchem Sinne der Begriff der "Kulturwissenschaften" in einer bereits um 1900 geführten Grundlagendiskussion gebraucht wurde. Der darin zum Ausdruck gekommene Konflikt zwischen einer historischen und einer systematischen Ausrichtung der modernen Kulturwissenschaften hat auch heute noch nicht an Relevanz verloren und bedarf nach wie vor einer zufriedenstellenden Lösung.