Das religiöse Sujet steht nicht im Zentrum der Kunst des 20. Jahrhunderts. Man könnte deshalb vermuten, dass etwa der Spanische Bürgerkrieg (1936-1939) die Religion aus dem Bewusstsein der Avantgarde vollends getilgt hat. Juan José Lahuerta zeigt jedoch in seinem Buch, dass bestimmte Themen der religiösen Kunst durch diesen Krieg eine ganz neue Aktualität gewannen. Dies gilt insbesondere für Pablo Picasso, dessen lebenslange Beschäftigung mit dem Thema der Kreuzigung damals in eine neue intensive Phase trat.
Die Arbeit des Schweizer Surrealisten Max von Moos (1903-1979) wirft zusätzliches Licht auf das vorliegende Paradoxon. 1938, ein Jahr nach Picassos "Guernica", veröffentlichte von Moos einen Essay mit dem Titel "Religiöse Malerei unserer Zeit", in dem er einige kritischen Fragen zu kirchlicher Kunst aufwirft: Fragen zu Kommunikation und Ausdruck, Realismus und Abstraktion, welche überraschende Einsichten gewähren: nicht nur in Picassos Kunst, sondern zur modernen Kunst überhaupt.