Joh 6 stellt einen Höhepunkt und die Zusammenfassung der Theologie des vierten Evangeliums dar. Michael Labahn widmet sich den beiden einleitenden Wundergeschichten, der Speisung der 5000 und dem Seewandel Jesu. Er untersucht die Rolle dieses erzählerischen Abschnitts als Einleitung der Brotrede und stellt fest, daß die Wundersequenz als eine Art Präludium der Brotrede verstanden werden kann. Mit Hilfe religionsgeschichtlicher Parallelen beleuchtet er diese Eingangssequenz, in der Jesus in der Vollmacht Gottes wirkt und mit der er die Welt vor die Alternative von Glaube oder Unglaube stellt. Aufgrund der subtilen Verklammerung von Speisung und Brotrede kann man in der Brotrede eine Inszenierung des Brotwunders als johanneisches Zeichen sehen. Die Brotrede entfaltet als ein kommunikativer Akt das Speisungswunder so, wie es jemand sehen sollte, der die Speisung als Zeichen des Gottessohnes gesehen und verstanden hat. Der Erzähler greift auf eine Erzählung seiner Gemeindetradition zurück, die Michael Labahn auf der Grundlage einer Analyse der narrativen Struktur ermittelt. Die Wurzel dieser Erzählung kann letztlich bis zum synoptischen Erzähltext zurückverfolgt werden, der seinerseits durch den Osterglauben und die Erinnerung an die Speisegemeinschaften Jesu mit sozialen und religiösen Außenseitern geprägt ist. Als Erklärung der Verbindung der erzählerischen Differenzen wird das Phänomen der sekundären Oralität herangezogen. So läßt sich eine Geschichte sukzessiver Nacherzählungen der Erzählfolge von Speisung und Seewandel erkennen.