Die Frage, ob, wann und wie die internationale Gemeinschaft auf Verletzungen humanitärer Normen und damit verbundene humanitäre Krisen reagieren soll, gehört zweifellos zu den vieldiskutierten Themen auf der Agenda der heutigen internationalen Politik. Allerdings tauchte diese Problematik nicht erst am Ende des 20. und zu Beginn des 21. Jahrhunderts plötzlich aus dem Nichts auf, sondern bereits im Verlauf des "langen 19. Jahrhunderts" setzte man sich kontrovers mit dieser Problematik auseinander. Anhand ausgewählter Fallbeispiele wie dem Kampf gegen den Sklavenhandel (18071890), den Militärinterventionen der europäischen Großmächte zur humanitären Nothilfe für christliche Minderheiten im Osmanischen Reich (18271878) oder dem Eingreifen der Vereinigten Staaten in den kubanischen Unabhängigkeitskrieg (1898) untersucht Fabian Klose die militärische Praktik und die völkerrechtlichen Debatten zum Schutz humanitärer Normen gewaltsam einzugreifen. Insgesamt etablierte sich in dieser Epoche die Idee der humanitären Intervention als ein anerkanntes Instrumentarium in der internationalen Politik. Eine zentrale Schlüsselrolle bei der Entstehung eines neuen humanitären Interventionsverständnisses übernahm der bewaffnete internationale Kampf gegen den Sklavenhandel als Urtyp der humanitären Intervention. Als Folge kam es zur Ausbildung völkerrechtlicher Leitlinien, die als Begründung für das militärische Eingreifen in verschiedenen Krisenregionen dieser Welt dienten. Das "lange 19. Jahrhundert" kann demnach als das genuine "Jahrhundert der humanitären Intervention" charakterisiert werden, in dem es zu einer signifikanten Verzahnung von militärischem Interventionismus unter dem Banner der Humanität mit kolonialen und imperialen Projekten kam.