Die Entstehung des chemischen Verbindungsbegriffs, ein Fundamentalbegriff der neuzeitlichen Chemie, ist kaum untersucht, weil er fur eine blosse Prazisierung des naturphilosophischen Atomkonzepts gehalten wurde. Das Buch widerlegt diese Ansicht als ideengeschichtliches Vorurteil und weist minutioes nach, dass der Verbindungsbegriff als Resultat der begrifflichen Strukturierung des empirischen Wissens entstand, das aus der gewerblichen chemischen Praxis des 16. und 17. Jahrhunderts stammte. Damit rekonstruiert die Autorin nicht allein den Beginn der wissenschaftlichen Chemie in einer grundlegend neuen historischen, begrifflichen und methodischen Ordnung. Sie zeigt daruber hinaus, wie diese "chemische Revolution" in den Kontext der wissenschaftlichen Revolution des 17. Jahrhunderts einzuordnen ist, namlich als die einer "baconischen Wissenschaft" (Kuhn), die das Erfahrungswissen einer neuartigen gewerblichen Praxis ohne Ruckgriffsmoeglichkeiten auf brauchbare Theorietraditionen in eine wissenschaftliche Theorie uberfuhrte. Das Buch ist so zugleich ein substanzieller Beitrag zum Verstandnis wissenschaftlicher Revolutionen, der insbesondere zum UEberdenken der wissenschaftstheoretischen Annahme einer Theoriedominanz bei der Entstehung und Entwicklung der Wissenschaften noetigt. Es ist deswegen nicht nur fur Chemiehistoriker, fur die es zum neuen Standardwerk uber die Chemie des 17. Jahr- hunderts werden durfte, von Interesse, sondern ebenso fur Wissenschaftshistoriker allgemein sowie fur Wissenschaftstheoretiker, Philosophen und Kulturhistoriker.